Du möchtest mit dem Malen anfangen? Lies dafür gerne meinen ersten Artikel dieser Einsteigerserie hier. Wie dort beschrieben ist es super wichtig, das Sehen und die Wahrnehmung zu verstehen. Hand in Hand mit dem Sehen geht die Perspektive. Dieser wollen wir uns im folgenden Annehmen.
Eine Erfindung deiner Augen
„Verstehst du meine Perspektive?“, „Die Arbeit gab mir einen Perspektivwechsel“, „Aus dieser Perspektive sehen die Menschen so klein aus“ – dieses Wort ist bekannt und handelt meistens darüber, eine subjektive Ansichtsweise verschiedener Menschen zu erkennen. Nicht nur im Zwischenmenschlichen, sondern auch in der Optik ist sie subjektiv auf zweierlei Arten.
Wenn Fabienne vor dem Haus steht, sieht sie ein Haus mit einer Haustür, aber nicht den Garten. Wenn Carlos hinter dem Haus steht, sieht er den Garten, aber nicht die Haustür. Das leuchtet schnell ein, wenn es aber dann in die Praxis geht, wird es komplex. Jeder Betrachtungswinkel ermöglicht den Fokus auf etwas, während es andere Aspekte versteckt. Wer sich für eine Ansicht entscheidet, muss immer auf einen Teil der Gesamtheit verzichten. Du kannst nicht das Haus mit Garten malen und gleichzeitig die Haustür mit abbilden.
Aber wieso ist sie eine „Erfindung deiner Augen“? Wir haben ja bereits in diesem Artikel darüber gesprochen, dass du dein Auge schulen sollest und man oft das malt, was man kennt, nicht das, was man sieht. Am deutlichsten wird das Beispiel an einem quadratischen Block. Du weißt, dass bei einem quadratischen Block jede Seite gleichlang ist. Grundsätzlich wäre es jetzt richtig, diesen Block zu zeichnen und alle Seiten gleichlang zu machen.
Du wirst aber schnell sehen, dass das komisch aussieht bzw. dass es nun wie ein rechteckiger Block aussieht. Denn die Perspektive sorgt für eine Verkürzung der Seiten, die nach hinten laufen. Wir wollen also lernen, wie unsere Augen sehen. Oft vergessen wir, dass unsere Wahrnehmung menschlich ist und andere Tiere die Welt in ihren Sinnesorganen ganz anders erzeugen.
Der Fluchtpunkt
Klingelt da was? Das Thema Fluchtpunkt wird irgendwann im Verlaufe der Schulzeit behandelt und ist elementar. Auf den Fluchtpunkt laufen fast alle parallel waagerechte Linien von Objekten zu. Senkrechte Linien bleiben meistens senkrecht. Bei dem Quadrat verlaufen die drei Seiten auf den Fluchtpunkt nach oben rechts zu. Je nach dem wie du stehst und Objekte angeordnet sind, kann es bis zu drei Fluchtpunkte geben und der Fluchtpunkt muss nicht zwingend auf dem Bild sein. Die Fluchtpunktlinien können auch außerhalb des Bildes zusammentreffen.
Die Zentralperspektive – ein Klassiker
Hier gibt es nur einen einzigen Fluchtpunkt. An geometrischen Objekten wie Räume, Korridore oder Gassen erkennt man sie am besten.
Die Frontansicht sowie die Rückseite verzehren sich nicht und bleiben standhaft. Nur die Linien, die von dir weglaufen, verlaufen zum Fluchtpunkt.
Zweipunkt Perspektive
Bei dieser Ansicht gibt es zwei Fluchtpunkte. Meistens ergeben sich diese daraus, dass du keine Frontansicht hast, sondern nur eine Frontlinie an der zwei Seiten „abfallen“. Auch hier bleiben senkrechte Linien senkrecht und verzehren sich nicht. Die waagerechten Linien links von der Frontlinie laufen zum linken Fluchtpunkt, während die auf der rechten Seiten zum rechten Fluchtpunkt verlaufen.
Vogel- und Froschperspektive
Hierbei wird deine Höhe als Betrachter*In mit einbezogen. Bisher standest du immer auf Höhe des Fluchtpunkts. Der Vogel schaut von oben auf das Objekt. Der Frosch schaut von unten auf das Objekt. Hier gibt es drei Fluchtpunkte und je nach Blick verzehren sich alle Linien auf verschiedene Fluchtpunkte.
Sie ist ähnliche wie die Zwei-Punkt-Perspektive. Es gibt zwei „abfallende“ Seiten und je nach Seite laufen die Linien auf den zugehörigen Fluchtpunkt. Was dazu kommt, sind die Verzehrungen der Vertikalen. Bisher waren diese immer standfest. In der Froschperspektive sitzt der dritte Fluchtpunkt oben, die anderen unten auf einer Höhe. Mit der Vogelperspektive dreht sich das Ganze und der dritte Fluchtpunkt befindet sich unten.
Die waagerechten Linien werden nun abschließend an die Fluchtlinien angepasst und verbunden. Diese gehen nicht auf die Fluchtlinien zu.
Mit diesem Wissen könnt ihr direkt loslegen. Schnappt euch eine Hafermilchtüte oder eine Streichholzschachtel und zeichnet sie aus verschiedenen Betrachtungswinkeln. Ihr könnt auch erstmal durch die Welt gehen und an Bauwerken, Räumen und Objekten diese Perspektiven erkennen üben. Viel Spaß dabei!